Die Geschichte der elektronischen Tanzmusik ist in erster Linie eine Geschichte der Black Music, die aber nicht ohne Klassenverhältnisse, Gender und Sexualität zu denken ist: In Detroit hatte sich im Zuge des Fordismus eine schwarze Mittelschicht herausgebildet, die Anfang der 1980er-Jahre Techno erfand. Ihre maßgeblichen Einflüsse waren neben Disco und Funk aus einer Art Europhilie heraus Kraftwerk, Giorgio Moroder (»Euro Disco«) oder britische Synth-Musiker wie Gary Numan. Während Detroit Techno zuvorderst ein Phänomen der Mittelklasse war, die sich von den Kids aus dem »Ghetto« abheben wollte, entstand die Chicagoer House-Szene aus einer schwarzen Schwulenszene, die sich vor allem der homophoben »Disco Sucks«-Bewegung widersetzte. Die New Yorker Garage-Szene hatte ihre Ursprünge ebenfalls im schwarzen und hispanischen schwulen Disco Underground der späten 1970er, der sich mit Electro-Funk- und Avantgarde-Musiker*innen wie Arthur Russell oder Laurie Anderson verband. Aber erst im transatlantischen UK Garage und 2Step wurde die männliche Dominanz im Techno schließlich nennenswert gebrochen.
Chris W. Wilpert hat zusammen mit Jan-Niklas Jäger »Futuromania. Elektronische Träume von der Zukunft« (Ventil, Juni 2023) von Simon Reynolds übersetzt. Er ist geschäftsführender Redakteur der PROKLA und schreibt für Neues Deutschland, Jungle World und Phase 2. Zuletzt hat er in der freien uni bamberg über Leo Löwenthal und die Aktualität der Kritischen Theorie gesprochen.
Eintritt: frei