Für den Schriftsteller Thomas Harlan war die Auseinandersetzung mit den Täter:innen der Shoah und ihrem Weiterleben in der BRD zentral. Harlans Archivrecherche in Polen in den 1960er-Jahren über die Verbrechen der »Aktion Reinhardt« führte zu dem Buchprojekt »Das Vierte Reich«, das nie publiziert wurde. In der Historiografie der Shoah stellte dieses Projekt bis in die 2000er ein Desiderat dar. Aber es bildete das Ausgangsmaterial für Harlans Romane »Rosa« (2000) und »Heldenfriedhof« (2006), die an der Schnittstelle von Dokumentation und Fiktion angesiedelt sind. Diese Romane problematisieren den Umgang mit den Täter:innen und ihren Verbrechen in der BRD und legen damit den Finger in eine Wunde, die Harlans Freund Fritz Bauer vergeblich bearbeitete: die nahezu ausgebliebene Strafverfolgung der NS-Täter:innen und die mangelhafte Auseinandersetzung mit der gesamtgesellschaftlichen Verweigerung, sich juristisch, moralisch, persönlich und konkret mit den Täter:nnen zu befassen.
Clemens Böckmann ist Autor und arbeitet ab und an fürs Radio.
Chris W. Wilpert ist Redakteur der PROKLA, Alumni der freien uni und schreibt ab und an für linke Zeitungen. Zuletzt hat er in der freien uni über Race, Class und Gender in Detroit Techno, Chicago House und New York Garage gesprochen.